Sind die fetten Jahre vorbei? Unter diesem provokanten Titel stellte das 6. Pappenheimer Bildungsforum den Wert der Lebensmittel in den Fokus. Die Organisation der Abendveranstaltung lag in den Händen des Pappenheimer Bildungsausschusses – ein Zusammenschluss von Menschen, die unterschiedliche Zielgruppen des EBZ Pappenheim repräsentieren und Impulse für die Bildungsarbeit geben.
Für Christine Hilpert, Vorsitzende des Pappenheimer Bildungsausschusses, kann sich der Thematik der globalen Ernährungssicherung und dem Konsumverhalten in Krisenzeiten niemand entziehen. Ganz im Sinne der traditionellen Bedeutung des Begriffs „Forum“ wolle man den Abend im EBZ dazu nutzen, sich politisch, wirtschaftlich, kulturell und religiös mit dieser Materie auseinanderzusetzen. „Mitdenken, gesellschaftsstärkend agieren und Schöpfungsverantwortung übernehmen“, so Christine Hilpert in ihrer Begrüßung.
Für Fachreferent Prof. Dr. Peter Breunig, Dozent an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, hat der Krieg in der Ukraine Zukunftsfragen ins Jetzt katapultiert: „Fläche und Menge, die eingeplant waren, sind aktuell nicht mehr verfügbar.“ Daraus ergeben sich dramatische Folgen für die Ernährungssicherung in den Ländern, die hohe Anteile an Mais und Weizen aus der Ukraine und Russland beziehen. Welche Veränderungen brauche es also, um mehr Fläche zu erhalten? Nach Ergebnissen von Fachstudien könne der größte Effekt durch eine Ernährungsanpassung erzielt werden. Dies bedeute vor allem, den Verzehr von Fleisch und Milchprodukten zu verringern. „Wir nehmen viel zu viele Proteine zu uns“, stellte Breunig fest, für den sich das Konsumverhalten aktuell auf einer Achterbahnfahrt befindet. Ernährung bedeute nicht mehr primär, ein Grundbedürfnis zu decken, sondern gehöre mittlerweile zur Selbstdefinition. „Food“ werde zum Lifestyle. Die Corona-Krise habe diese Entwicklungen beschleunigt: Der Bezug zu Lebensmitteln sei gewachsen, die Menschen achten verstärkt auf Faktoren wie Qualität und nachhaltige Erzeugung. Mittlerweile habe sich der Bio-Boom jedoch zu einer Bio-Krise entwickelt. Eine enorme Inflation und die Reduktion des verfügbaren Einkommens führen zu einer dramatischen Veränderung des Konsumverhaltens.
Zusammenfasend stellte der Fachreferent fest, dass die globale Ernährungssicherung eine kontinuierliche Herausforderung darstelle. Er forderte eine stärkere Diskussion darüber, welchen Beitrag Konsumenten und Erzeuger dafür leisten müssen. Die Landwirtschaft stehe vor der Herausforderung, Entscheidungen unter extremer Unsicherheit zu treffen und Risikomanagement zu betreiben. In Zeiten multipler Krisen kommen viele Dinge zusammen, wie beispielsweise Lieferkettenproblematiken oder die vom Klimawandel beeinflusste Ernährungssicherung. Bei der Problemlösung nur auf die Landwirtschaft zu schauen, würde zu einer Problemverlagerung führen. „Wir müssen auf die Flächeneffizienz schauen, Verluste reduzieren und die Ernährung anpassen“, so das Plädoyer des Experten für Marketing und Marktlehre.
In der anschließenden Podiumsdiskussion vertiefte Prof. Dr. Breunig im Austausch mit Gerhard Schleier (Leiter des EBZ Pappenheim), Hannelore Täufer (Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Haushaltsführungskräfte) und Gerhard Rupp (Landwirt) Teilbereiche der im Impulsreferat angesprochenen Thematik. Die Fragen nach einer intelligenten Flächennutzung, Schaffung einer anderen Lebensmittelkultur sowie Hilfe zur Selbsthilfe beim Thema gesunde Ernährung standen bei dem lebhaften Meinungsaustausch im Mittelpunkt. Schnell wurde deutlich, dass viele Zielkonflikte existieren, die diskutiert werden müssen. „Innovation kann Zielkonflikte brechen“, war sich Breunig sicher, der sich für einen Export für Lösungskompetenzen aussprach. Der Schlüssel für eine Weiterentwicklung liege darin, Defizite einzugestehen, daran zu arbeiten und eine gegenseitige Toleranz zu entwickeln.